Athen 1896

23. Juni 1894, Paris. Der 31-jährige Baron Pierre de Coubertain stellt beim Gründungskongress des IOC an der Universität Sorbonne unter dem begeisterten Beifall von 2000 Zuschauern die Idee seines Lebens vor – die Wiederbelebung der Olympischen Spiele nach mehr als 1500 Jahren.

Knapp zwei Jahre später war es soweit: im April 1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt. 241 Athleten aus 14 Nationen traten in 43 Wettbewerben gegeneinander an – neun Sportarten standen auf dem Programm: Leichtathletik, Schwimmen, Rad, Fechten, Kunstturnen, Gewichtheben, Ringen, Schießen und Tennis.  

Als erster Olympiasieger der Neuzeit gewann der US-Amerikaner James Brendan Connolly den Dreisprung. Erfolgreichster Athlet war der deutsche Kunstturner und Gewichtheber Carl Schuhmann, der gleich vier Siege einheimste. 

Der Hirte Spiridon Louis aus Maroussi bei Athen war der Sieger der Herzen: der 23-jährige Grieche gewann den erstmals ausgetragenen Marathonlauf, der den Mittelpunkt der Spiele bildete. Louis „verbrachte die Nacht vor dem Rennen seines Lebens mit Beten in einer Kirche, ließ sich auf der Strecke bei mörderischer Hitze im Dörfchen Pikermi ein Glas Wein reichen und überholte erst drei Kilometer vor dem Ziel den Australier Edwin Flack, der schon die 800 und 1500 m gewonnen hatte. Im Stadion begleiteten ihn König und Kronprinz auf den letzten Metern. Das IOC machte Louis eine Ziege, der König einen Eselskarren zum Geschenk. Der Staat setzte eine kleine Pension aus, sein Dorf schenkte ihm einen Acker. Ein Friseur und ein Schuhputzer versprachen, ihn lebenslang kostenlos zu rasieren und das Gehwerkzeug zu polieren. Noch am Abend wurde er im Triumphzug zurück nach Maroussi gebracht (…)“.[1]

1900 in Paris waren mit 997 Startern schon mehr als viermal so viele Sportler dabei, darunter auch die ersten Frauen. Bis auf die Kriegsjahre 1916, 1940 und 1944, und das „Coronajahr“ 2020 fanden seitdem alle vier Jahre Olympische Sommerspiele statt; die ersten Winterspiele gingen 1924 in Chamonix über die Bühne.

Die Welt hat sich in den 124 Jahren seit Athen fundamental verändert, und natürlich auch die Olympischen Spiele – von einer Randveranstaltung zu einem gigantischen Megaevent. Was über die Zeiten hinweg jedoch unverändert geblieben ist, ist das breite Spektrum an Emotionen, das Athleten und Zuschauer durchleben – und das wohl auch die Faszination der Spiele, und des Sports an sich, entscheidend ausmacht. 

[1] Zitat aus “Athen 1896 – Wiedergeburt der Spiele”, erschienen am 6. August 2004 in der Onlineausgabe der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” (derstandard.at); abgerufen am 7. Oktober 2020